Berliner Modedesigner – Die Menschen hinter dem Label #9: Christine Mayer. Den Faden der Geschichte weiter weben

Auf dem Innenfutter des Blazers steht “Give Love”. Er ist ein Unikat aus Christine Mayers Peace Collection. Diese Aufforderung ist keine hohle Marketingmasche. Die Berliner Designerin lebt dieses Statement. Ganz persönlich.

Modedesignerin Christine Mayer praktiziert mit Hingabe Meditation und Yoga. Sie beschäftigt sich mit Spiritualität und ist Vegetarierin. Dabei hat sie ihre Design-Laufbahn vor 22 Jahren mit einer Kürschner-Ausbildung begonnen. „Das war Zufall. Ich wollte unbedingt etwas mit Mode und Gestaltung machen. Im kleinen Waldshut an der Schweizer Grenze, wo ich aufgewachsen bin, gab es nur eine Hutmacherin und einen Kürschner. Die Hutmacherin war eine schwierige Frau, ich habe es genau 14 Tage dort ausgehalten. Dann bin ich nach nebenan gegangen – zum Kürschner.“

Felle zu verarbeiten hat Christine Mayer dort von der Pieke auf gelernt. Immer noch verwendet sie die damals erlernte Technik der Komposition aus Materialteilen, aber Fell ist heute für sie ein Tabu. „Die Todesangst der Tiere haftet daran. Aus dem gleichen Grund esse ich kein Fleisch oder Fisch. Wir sollten allen Mitgeschöpfen mit Liebe begegnen.“ Die zarte Frau mit den blonden Haaren wirkt sanft und fast ätherisch auf mich. Was sie mengenmäßig an Arbeit stemmt, würde man nicht erwarten. Denn Christine Mayer designt nicht nur Mode. Sie stattet auch erfolgreich große Theaterproduktionen mit Kostümen aus. Das tut sie seit Beginn ihres Modedesign-Studiums in Hamburg. Zuletzt hat sie 2011 zur Inszenierung „Die Meistersinger von Nürnberg“ an der Berliner Komischen Oper 400 Kostüme aus altem Leinen und Mehlsäcken entworfen. Zeitgleich hat sie ihre neue Kollektion aus eben diesen Materialien gelauncht. „Es war schon eine ziemlich große Herausforderung“, sagt sie erstaunlich gelassen.

“Man sieht, dieser Stoff hat schon gelebt.”

Der älteste Stoff, den Christine Mayer in der Peace Collection verarbeitet hat, ist von 1840. Sie findet diese Stoffe bei Antikhändlern. Zum Beispiel Rolltücher oder Mehlsäcke, denen sie durch die Verarbeitung zum Kleidungsstück eine neue Bestimmung zukommen lässt. Sie liebt die Geschichten, die diese Materialien erzählen. „Ich möchte den Faden der Geschichte weiter spinnen.“ In ihrem Atelier zeigt sie mir einen mit einem Pferdemotiv bedruckt Mehlsack, darauf zwei blau weiß gestreifte Flicken aus robustem Stoff, mit wenigen Stichen gekonnt gesteppt. „Man sieht, dieses Teil hat schon gelebt. Da hat jemand vor langer Zeit etwas ausgebessert“. Und es hält bis heute.

Christine Mayer gelingt in ihrer Mode die Verbindung zwischen vergangenem, gegenwärtigem und zukünftigem. Selten habe ich den Charme antiker Gewebe im wahrsten Sinn anziehender umgesetzt gefunden. Bei ihr wird der gewebte Faden zum Quell der Inspiration und zum Begleiter durch das tägliche Leben.

Auf meine Frage, wann sie ihr letztes Second Hand Teil gekauft hat, wo sie Dinge mit Geschichte doch so liebt, schüttelt sie den Kopf: „Oh, das ist sehr lange her. Second Hand kaufe ich nicht. Ein Kleidungsstück nimmt die Aura eines Menschen auf. Er trägt es auf der Haut. Vielleicht passt dessen Seelenkörper nicht zu meinem“, lächelt sie.  Was trägt Christine Mayer heute? Christine Mayer. Weil sie es bequem und nachhaltig mag. Einen Mantel-Unikat aus ihrer Peace Collection, mit Details von antiken Rolltüchern. Ein dünnes weißes Shirt aus Seacell, ein Material aus Algen, die vor der Küste Islands in 1000 m Tiefe nur einmal im Jahr abgebaut und in Italien zu Garn verarbeitet werden. Ein angenehm leichter, kühler Stoff, der die Körperwärme spürbar reflektiert.

„Ich reduziere gerade. Ich mache den Schritt von außen nach innen. Weg von dem Moderummel. Ich plane ein Meditationszentrum in den Tessiner Bergen. Dazu passt auch meine neue Kollektion, Meditationskissen und Yoga-Matten, und die passende Kleidung für diese Zwecke.“ Als i-Tüpfelchen ihrer Arbeit gibt es ein Parfum von Christine Mayer. Es duftet nach Weihrauch, Zitrus und Hölzern und heißt Bliss – Glückseligkeit.

Christine Mayer, Große Hamburger Straße 1, 10115 Berlin-Mitte

www.mayer-berlin.com

 

© Verführer – Das Beste aus Berlin | Interview: Stephanie Schneider | Foto: Christine Mayer

 

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