Die Zeitschleife – Stil kommt nie aus der Mode. Jan Henrik M. Scheper-Stuke #designerinterview #berlinermodedesigner

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„Haben Sie gestern Abend Fernsehen geschaut? Markus Lanz hatte eine wunderschöne Krawatte von uns um. Und direkt nebenan, auf Sat 1, Herr Meier – der auch. Der Dritte im Bunde war Jan Hofer. Wir sind sehr präsent im Fernsehen.“

Jan Henrik M. Scheper-Stuke verwendet den Pluralis Majestatis wie ein König für sich und seine ihm Untergebenen: Krawatten, Schleifen, Kummerbunde, Schals, Einstecktücher. Unverzichtbare Herren-Accessoires. Nichts überlebensnotwendiges, nein nein. Aber obligatorisch, wenn es um Etikette und gesellschaftlichen Status geht. Das, was den Unterschied ausmacht zwischen einem Mann und einem Herrn.

Jan-Henrik Maria Scheper-Stuke ist der extrovertierte, innovative Kopf und Chef des Berliner Traditionshauses Edsor Kronen. Seine Identifikation mit der Herrenaccessoire-Marke Edsor könnte nicht größer sein. Er lebt das moderne Dandytum in Perfektion. Er liebt Mode, kultiviert Eitelkeiten und charmante Schrullen.

„7,5 ist gängig. Wir haben auch Kunden, die wünschen 9. Für Nichtkenner sieht das aus wie ein Latz.“

Von seinen Mitarbeitern und in schnellen Emails wird Jan Henrik liebevoll JHSS abgekürzt. Aber an Respekt lässt das Team es gegenüber dem jungen und resoluten Chef der Kreuzberger Krawatten-Manufaktur keineswegs mangeln. Jan Henrik ist Jahrgang 1982 und inszeniert die Marke seines Unternehmens bereits wie ein alter Hase. Edsor ist ein Akronym, gebildet aus dem Namen des früheren englischen Königs Eduard VIII. Aus „Eduard Winsor“ wurde Ed-sor.  In der Manufaktur, in der die gesamten Kollektionen entworfen, von Hand zugeschnitten und vernäht werden, hängt im Eingang ein mannshohes Foto von Jan Henrik und an jedem Edsor-Produkt findet sich ein Label mit seinem Konterfei als Markenbotschafter. „Mit diesem Portrait haben wir versucht, eine alte Fotografie von Edward, so einer seiner vielen Geburtsnamen, mit meiner Person identisch zu inszenieren. Die gleiche Haltung, der gleiche Anzug, gleiches Einstecktuch und Krawatte.“

Nicht nur der Stil Eduards wird Jan Henrik bewogen haben, ihn als Vorbild zu wählen, sondern auch dessen außergewöhnliches Leben jenseits des höfischen Protokolls, der Mix aus dem Nimbus einer Stilikone und dem des freidenkenden Aussteigers aus den Zwängen des Königshauses.

Seit 105 Jahren ist die Krawatten-Manufaktur existent, im Jahr 1909 gegründet vom Kaufmann Ildefons Auerbach. Das Stammhaus Kronen, ein wunderschönes Jugendstil-Gebäude, stand an der Leipziger Straße 44. „Dort steht heute ein Effendi Döner Grill“, sagt Jan Henrik, „das Haus hat den zweiten Weltkrieg nicht überstanden. Ein großer Verlust. Solch ein Gebäude wäre heute unbezahlbar“. Zwischen 1909 und 1935 hatte die Manufaktur 600 Mitarbeiter, steigt auf zum Hoflieferanten von Kaiser Wilhelm II., durchlebt dann mit der Geschichte eine stürmische Zeit, geprägt von epochalen Umbrüchen und Besitzerwechseln. „Aber einmal Hoflieferant, immer Hoflieferant. Das nimmt einem niemand weg“, sagt Jan Henrik.

Der Herr der Fliegen, wie er in einigen Zeitungen genannt wird, wurde 2009 von seinem Patenonkel Günther H. Stelly zum neuen Chef ernannt. „Wir sind ja nicht blutsverwandt, mein Patenonkel ist ein Freund meiner Mutter. Ich bin ein Landkind, komme aus Lohne bei Oldenburg, war im Internat Louisenlund und habe dann eine Ausbildung bei der Sparkasse gemacht.  Mit 13 Jahren bin ich in die Junge Union eingetreten, wurde mit 21 deren Landespressesprecher. Danach, mit 23, habe ich Jura studiert.“

Das klingt perfekt durchgeplant. Gibt es auch ein aber? „Ja. Ich bereue, dass ich zu wenige Sprachen gelernt habe. Mein Englisch ist ok, nicht mehr.“ Aber Jan-Henrik ist ein Kämpfer. In den letzten 10 Jahren gab es eine düstere Periode, wie er sagt. „Gegen die großen Herrenmodemarken, die den Händlern mit den Anzügen auch direkt das Krawattensortiment liefern, hatten wir zu strampeln. Mit unserer exklusiven Handarbeit und den vielfältigen Kollektionen haben wir uns aber neu positioniert.“

Krawatte als Geschenk – hop oder top? „Natürlich top. Manchmal werde ich von meiner Familie gebeten, eine Krawatte oder ein anderes Produkt von Edsor zu Einladungen mitzubringen.“ Aber Wertschätzung ist ein wichtiger Punkt für ihn: „Wir machen in unserer Familie keine Kompensationsgeschäfte, wenn wir etwas mitbringen. Waren haben einen Wert und der wird bezahlt.“ Auch an der Süßigkeitenbox im Zuschnittraum stehen Preise an Schokolade und Gummibärchen. Wie im Kleinen, so im Großen. Jan Henrik M. Scheper-Stuke macht Werte wieder bewusst. Und so schließt sich die Schleife.

Nachtrag: Seit Anfang 2015 ist Jan Henrik M. Scheper-Stuke Geschäftsführer der Marke Auerbach. Esdor wurde abgegeben.

Auerbach, ehemals EDSOR Berlin Flagshipstore, in den Hackeschen Höfen, Rosenthaler Straße 40/41, 10178 Berlin (Mitte)

www.auerbach.berlin

 

Suchbegriffe: Edsor Krawatten, Edsor Berlin

 

© Verführer – Das Beste aus Berlin |Foto: © Isabelle Graeff | Text: Stephanie Schneider

 

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