Berliner Modedesigner – Die Menschen hinter dem Label #4: Dandy of the Grotesque – “Willkommen in meinem Wohnzimmer.”

Berlin ist anders als alles, was Itamar Zechoval, Macher des Labels Dandy of the Grotesque, kannte. Er kam aus der Zielstrebigkeit: „Wenn man in Mailand Leute trifft, ist die erste Frage: Was machst Du beruflich? In Shanghai arbeiten die Menschen rund um die Uhr. In Berlin sind alle so entspannt, keiner sorgt sich, Berlin treibt einen nicht. Es ist eher so: Du willst etwas machen in Berlin? Ok, dann mach doch! Man muss sich selbst unheimlich antreiben. Das war eine ganz große Umstellung für mich.“

Die kreativen Ideen für sein Unikat-Männermode-Label Dandy of the Grotesque zieht Itamar aus Filmen und Architektur und entwickelt sie auch gern mit anderen Personen weiter. An anderer Mode möchte er sich aber nicht orientieren. Das Persönliche spielt für ihn eine größere Rolle. Er selbst trägt am liebsten Schwarz. Dunkles Grün oder Grau sind die buntesten Farben, die sich in seinem eigenen Kleiderschrank finden. „Ich bin Itamar und ich bin wie ich bin, aber das Geschäft ist ein bisschen mein Alter Ego, ein Zuhause für den Super-Itamar, der immer toll  angezogen ist. Ich bin sehr „neighbourhoody“, wohne hier in der Nähe, mag mein Café, in dem morgens mein Croissant und meinen Espresso schon für mich bereit stehen. Ich brauche einen Platz, wo ich mich verbunden fühle. Im Augenblick ist Berlin dafür perfekt.“

Itamar ist ein echter Weltbürger. Aufgewachsen in Israel, hat er in Mailand Modedesign studiert und lebte dort 12 Jahre. Dann ging er, der Europäischen Trägheit müde, nach China, Shanghai. Auf der Suche nach Innovation fand er in Shanghai stattdessen Hochgeschwindigkeit und Großproduktionen. So zog es ihn und seine Frau nach Berlin.

„Die chinesischen Designer arbeiteten nicht so durchdacht, wie ich gehofft hatte. Riesige Kollektionen ohne Konzept. Ich kam mal in einen Showroom einer Firma mit einer Kollektion von geschätzt 600 Teilen. Ich fragte, was das Thema sei und sie sagten: Blumen. Ich sah barocke Blumen, Hawaiiblumen, Popart-Blumen, bunte Blumen, schwarz-weiße Blumen, Blumen. Sie hatten keine Idee, wie sie dieses Thema spezifizieren konnten. Da habe ich sehr schnell gemerkt, dass China nicht der richtige Ort für mich war.“ Der Wunsch, nach Europa zurück zu gehen, kam spontan. Itamar wollte an einem Ort ankommen, der frisch und offen ist, wo er in Ruhe seine Kollektionen und Ideen entwickeln kann. Im August 2009 zog er nach Berlin. Zum Jahresende eröffnete er sein Geschäft in der Gormannstraße, und zwar in dem Teil, der oberhalb der Torstraße liegt. Gemeinsam mit seiner Frau, einer Innenarchitektin aus München, gestaltete und designte er dafür ein altes, verwohntes Appartement um in ein echtes Ladenjuwel.

Das so entstandene Ateliergeschäft gleicht dem Haus eines Dandys, in dessen Wohnzimmer man eingeladen wird. Man setzt sich, nimmt einen Drink. Für Itamar ist es nicht nur Arbeitsplatz. Es ist auch ein privater Ort. Er wollte etwas Theatralisches entwerfen, das zugleich Behaglichkeit ausstrahlt. Die Wände sind in dunklen Farben gehalten. Sieht man sich um, entdeckt man viele Details, rätselhafte Accessoires, wie z.B. ein winzig kleiner Vogelkäfig.

Dandy of the Grotesque – den Namen habe ich aus einem Buch des Illustrators Aubrey Beardsley, das mir begegnete, als ich an der ersten Kollektion arbeitete. Er hat mit Oscar Wilde zusammengearbeitet, also eine echte Dandy-Epoche. Auf einmal wusste ich, das ist der perfekte Name. Vom Dandytum bis zum Grotesken. Wenn ich genau hinsehe, zieht sich das Thema durch mein ganzes Leben.“ Der Name ist für Itamar die Essenz seines Labels. Ein Dandy, so erklärt er, ist jemand, der auf sich achtet, der sein Umfeld und sich selbst bewusst gestaltet. Grotesk ist das genaue Gegenteil, der Bruch, nichts Glänzendes, manchmal sogar Hässliches. „Dieser Kontrast zwischen Perfektion und einer gewissen Nachlässigkeit macht das Ganze aus. So sehe ich auch meine Arbeit: Hochkonzentriert und zielstrebig, aber auf der anderen Seite entspannt und humorvoll. Denn wir machen Kleidung, und das nehme ich sehr ernst.“

Itamar entwirft nur Unikate. Die Anzüge, deren Prototypen der Modedesigner gemeinsam mit seinem Team erstellt, werden ausschließlich von Berliner Maßschneidereien angefertigt. „Für mich ist Berlin der einzige Produktionsstandort, der ganzheitlich Sinn macht. Ich kann zudem so gut wie jeden Tag dort vorbei fahren und nachsehen, ob alles so läuft wie ich mir das vorstelle. Ich weiß allerdings nicht, ob die Schneider damit so glücklich sind“,  lacht er. Das Label hat sich herumgesprochen. Marius Müller Westernhagen oder Bela B. zählen zu seinen Kunden. „Das verrückte ist, ich kenne die deutschen Schauspieler oder Musiker zum Teil gar nicht. Meine Mitarbeiterin Lisa schreibt dann manchmal eine schnelle Notiz auf einen Zettel: „Famous Artist“! Hinterher googeln wir dann und ich freue mich sehr. Aber das garantiert hier, dass jeder Kunde herzlich und gleich behandelt wird.“

Dandy of the Grotesque, Gormannstraße 17 B, 10119 Berlin-Mitte

Anmerkung der Red: Das Atelier ist leider mittlerweile geschlossen. Ihr erreicht den Dandy über seine Website.

www.dandyofthegrotesque.com/diary

© Verführer – Das Beste aus Berlin | Text: Stephanie Schneider | Foto: Carsten Sander

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