Berlin und die Notwendigkeit des Swing

„Dienstagabends zum Swing-Tanz ins Kater Holzig, ab Mittwochs zur offenen Bühne in die Scheinbar in der Monumentenstraße 9, wo ich meine ersten Auftritte hatte – sieben Minuten nach der Uhr, keine Gage, Getränke frei – und eigentlich immer ins Ahorn am Carl-Hertz-Ufer zum Frühstücken.“ So erzählt mir der Berliner Klavierkabarettist, Liedermacher und Poet Bodo Wartke von seinem Berlin und was er an dieser Stadt so liebt. Es gibt sicher noch mehr Orte und Gründe, als man in 30 Minuten aufzählen kann, soviel (oder besser so wenig) Zeit haben wir für das Interview, aber Bodo antwortet auf meine Nachfrage punktgenau: „Ich bin so froh, in einer Stadt zu leben, in der ich rund um die Uhr frühstücken und sieben Tage in der Woche Swing tanzen kann, wenn ich das möchte.“

Ich frage, ob er auch findet, dass Berlin so sei wie New York in den 70ern, wie viele behaupten. Er zuckt die Schultern: „ Abgesehen davon, dass ich in den 70ern zu klein war, um das beurteilen zu können, war ich noch nie in New York. Aber nächstes Jahr werde ich das ändern. Ich fliege dort hin, zum 100. Geburtstag von Frankie Manning. Dort werde ich auf einer Gala ihm zu Ehren auftreten.“ Er strahlt: „Darin habe ich meinen missing link gefunden!“ Um ihn zu verstehen, muss ich nachfragen, wer denn dieser Frankie Manning ist. Worauf hin er nachfragt, ob er davon erzählen soll. Scheint eine längere Geschichte zu werden. Aber dafür bin ich hier. In den nächsten 25 Minuten erfahre ich von Bodo alle wichtigen Basics zum Thema Swing, streiche innerlich die restlichen Fragen von meinem Zettel, und freue mich darüber, wie elegant er die Schleife zurück zu seinem Thema gefunden hat (siehe erster Satz im Interview).

Frankie Manning und der Swing

Und so lerne ich von Bodo, dass Frankie Manning in Harlem New York den Swing als Tanz erfunden hat. Er war Kopf einer Tänzergruppe im berühmten Savoy Ballroom, der 1926 eröffnete, und in dem sich erstmals Menschen jedweder Hautfarbe zum gemeinsamen Tanzen treffen konnten. Ähnlich wie der Cotton Club hatte der Savoy Ballroom großen Einfluss auf die Jazz- und Swing-Musik. Nach dem Krieg jedoch hängt Frankie Manning seine Tanzschuhe an den Nagel und wird Postbote. Jahrzehnte lang trägt er Post aus. Der Swing-Tanz gerät in Vergessenheit. Bis in den 80er Jahren drei junge Schweden aus dem winzigen Städtchen Herräng durch Zufall Filmmaterial mit Frankie Manning entdecken. Sie sind völlig fasziniert von seinem Tanzstil. Teils denken sie, die Szenen seien im Zeitraffer gedreht, so schnell und verrückt tanzte Frankie. Kurzerhand fahren sie nach New York und suchen Frankie Manning im damals für drei europäisch aussehende, blonde Männer mehr als gefährlichen Harlem. Sie finden ihn und fragen unverhohlen: „Bist Du Frankie Manning, der Tänzer?“ Und Frankie sagt: „Nein, ich bin Frankie Manning, der Postbote. Aber ich war mal Tänzer.“

Den drei Schweden gelingt unglaubliches, nämlich Frankie Manning im stolzen Alter von 80 Jahren zurück zu seiner alten Leidenschaft zu bringen. Er wird Swing-Lehrer. Seither findet einmal im Jahr in schwedischen Herräng ein Swing-Festival statt, während dessen sich das 3000-Seelen-Städtchen in ein Mekka des Swing-Tanzes verwandelt. Bis zuletzt unterrichtet Frankie Manning auch anlässlich dieses Festivals. Frankie stirbt einen Monat vor seinem 95. Geburtstag im Jahr 2009. Sein Tanzstil bleibt legendär.

Bodos neues Programm “Swingende Notwendigkeit”

Natürlich war Bodo schon mehrfach zum Swing-Festival in Herräng und kehrte jedes Mal begeistert von der Atmosphäre im Allgemeinen und dem Swing-Tanz im Besonderen nach Berlin zurück. In seinem „missing link“ hat Bodo neben dem Klavierkabarett eine weitere Leidenschaft gefunden. Denn wo das Klavier ihn an den Tasten hält, gestattet ein Orchester im Rücken ihm, nicht nur seine bekannten Gesangs-, sondern auch seine (manchem neuen) Tanzkünste zu präsentieren. Die gibt er im Berliner Admiralspalast zum Besten – ab Montag, den 21. Oktober 2013 in einer Reihe von 5 aufeinanderfolgenden Konzerten, natürlich in opulenter Begleitung durch The Capital Dance Orchestra mit bezaubernden Backgroundsängerinnen und mitreißenden Tanzeinlagen. Und wenn man (spätestens nach dem Lesen dieses Artikels) um die Faszination weiß, die der Swing auf Bodo ausübt, wird einem auch der Titel als Motto des Abends klar: Swingende Notwendigkeit – Das Beste von Bodo. Mit Pauken und Trompeten.

Swingende Notwendigkeit – Das Beste von Bodo. Mit Pauken und Trompeten.

Am 21./22./23./24./25. Oktober 2013 ab 20 Uhr im Admiralspalast, Friedrichstraße 101, Berlin-Mitte. Tickets unter 030 755 492 560 oder www.d2mberlin.de

Mehr über Bodo: www.bodowartke.de. Und ein Trailer, der zeigt, wie Bodo auf der Bühne tanzt: www.bodowartke.de/seiten/index.php?nav=261

 

©Verführer – Das Beste aus Berlin | Text: Stephanie Schneider | Fotos von Bodo: Nele Martensen, Foto mit Orchester: Nele Martensen & T. Klapsch

 

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1 Comment

  1. says: Dance.now!

    Ein sehr gelungener Artikel über den Swing. Mit Frankie Manning in New York wurde der Swing geboren. Ein unglaublich schöner Tanz. Eddy Torres, ebenfalls aus NY hat die Salsa NY Style geprägt, ebenso ein toller Tanz mit dem richtigen Tanzpartner. Wir sollten diesen Pionieren danken für die Freude, die sie uns damit geschenkt haben!

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